#derGlaubeistnichtjedermannsSache

Hier finden Sie alle Informationen zum Fernsehgottesdienst aus der NeuPfarrKirche in Regensburg, der am 8. Juli 2018 von 10 bis 11 Uhr im BR Fernsehen übertragen wurde und jetzt in der BR Mediathek zu sehen ist.

Viele haben den Gottesdienst auch auf Twitter und Facebook mitfeiern: auf der Facebookseite der Evangelischen Kirche in Bayern (www.facebook.com/evangelischlutherischekircheinbayern) und bei Twitter mit dem Hashtag #derGlaubeistnichtjedermannsSache

Der Ablauf

Raselius-Chor: Heinrich Schütz, „Ich weiß, woran ich glaube“

Begrüßung

Lied: All Morgen ist ganz frisch und neu (Evangelisches Gesangbuch: 440,1-4)

Besinnung – Der Mensch vor Gott

Raselius-Chor: „Kyrie“ von Dietrich Buxtehude aus der Messe „Missa brevis“

Zuspruch

Lied: Du meine Seele, singe (Evangelisches Gesangbuch – 302,1-3+8)

Gebet

Lesung aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 14: „Warum hast du gezweifelt?“

„Postludium festivo“ von Sigfrid Karg-Elert (Trompete Christian Höcherl und Prof. Stefan Baier (Orgel)

Jürgen Klopp: „Über Glaube und Gott“ gelesen von Manuel Karadeniz

„Cantilena“ aus „Fantasia Gregoriana“ von Hans Uwe Hielscher (Trompete Christian Höcherl, Orgel Prof. Stefan Baier)

Beatrice von Weizsäcker: „Ist da jemand?“ gelesen von Clara Sindel

„The Dance of Life“ von Anthony Plog  (Trompete Christian Höcherl, Orgel Prof. Stefan Baier)

Robert Seethaler: „Ein ganzes Leben“ gelesen von Larissa Bader

„Festliches Postludium“ von Wolfram Graf  (Trompete Christian Höcherl, Orgel Prof. Stefan Baier)

Predigt: „Der Glaube ist nicht jedermanns Sache“ (siehe unten)

Lied: Ich glaube, Gott ist Herr der Welt (Evangelisches Gesangbuch – 704)

Fürbittengebet

Lied nach jeder Fürbitte: Ubi caritas et amor (Evangelisches Gesangbuch – 651)
Ubi caritas et amor. Ubi caritas. Deus ibi est.

Vaterunser

„Cantate Dominum“ von Vytautas Miškinis (Raselius-Chor)

Segen

Lied: Der Herr segne dich und behüte dich EG 570

Musik zum Schluß: Georg Friedrich Händel „Suite in D-Dur“

Die Mitwirkenden

Die Liturgie im Gottesdienst haben Pfarrerin Dr. Gabriele Kainz und Dekan Eckhard Herrmann, der auch die Predigt hält. Lektorin ist Johanna Wannack. Die Texte lesen Larissa Bader, Clara Sindel und Manuel Karadeniz, alle Studierende der Akademie für Darstellende Kunst, Regensburg. Es singt der Raselius-Chor, ein Kammerchor der Regensburger Kantorei unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Roman Emilius. Weiter musizieren Christian Höcherl (Trompete) und Prof. Stefan Baier (Orgel).

Der Prediger

Dekan Eckhard Herrmann ist gebürtiger Hannoveraner und in Oberschwaben aufgewachsen. Sein Theologiestudium führt ihn nach München und Wien. Herrmann war Gemeindepfarrer in Burghausen und Burgkirchen, in Würzburg und Baldham. Er ist verheiratet und hat drei Söhne. Als Dekan leitet er das Donaudekanat seit dem 1. April 2006. Im Fernsehgottesdienst hält er die Predigt.

Die Liturgin

Dr. Gabriele Kainz ist gebürtige Regensburgerin und hat am dortigen Werner-von-Siemens-Gymnasium Abitur gemacht. Theologie studierte sie in Neuendettelsau und München. Nach ihrem Vikariat in München war Sie bei der BMW AG zu einem Wirtschaftsvikariat in der Abteilung „Politische Kommunikation“ und arbeitete dabei auch im BMW Konzernbüro in Berlin. Mit halben Stellen war sie ab 2011 sie Pfarrerin in der Münchner Kirchengemeinde St. Lukas und ab 2014 in der Personalabteilung der Landeskirche tätig. Gleichzeitig promovierte sie bis 2015 über „Der Briefwechsel zwischen Franz Marc und Pfarrer Otto Schlier in den Jahren 1894-1900. Eine Studie zum protestantischen Hintergrund des Künstlers.“ Seit 2017 ist Kainz Hochschul- und Studierendenpfarrerin in Regensburg und seit 2018 auch Kunstbeauftragte im Kirchenkreis Regensburg sowie seit Mai 2018 nach dreijähriger Ausbildung Hakomi®-Therapeutin, einer erfahrungsorientierten Körperpsychotherapie. Als Pfarrerin wird sie im Fernsehgottesdienst die Liturgie gestalten.

Die Predigt

Dekan Eckhard Herrmann über 2. Thessalonicher 3,2

Eigentlich wollte ich nur ein bisschen aufräumen. Aber dann ist mir diese Karte in die Hände gekommen. Mein Onkel hat sie mir geschickt. Der einzige, den ich hatte. Und den ich sehr gern gehabt habe. Und er mich. Das weiß ich noch. Über fünfzig Jahren ist das jetzt her. Vorn drauf ein Schwarz-Weiß-Foto. Ein Mecki. Eine Igelfigur. Damals das Maskottchen einer großen Fernsehzeitschrift. Ich hatte auch einen als Stofftier. Ich war damals zehn. Und mein Onkel fünfundzwanzig. Und schwerkrank. Mit zittriger Hand hat er mir geschrieben. Liebe Grüße. Ob er gewusst hat, dass es letzte Grüße sein würden? Dass er hofft, mich bald wieder zu sehen, hat er geschrieben. Und dass er sich darauf freut. Nur wenige Tage später ist er gestorben.

Ich frage mich, wie das damals wohl gewesen sein mag. Für ihn. Sein nahes Ende vor Augen. Und in Gedanken bei mir. Seinem kleinen Neffen, einem fröhlichen Kind, das das Leben noch vor sich hat. Und ich frage mich, wie das für ihn damals wohl mit dem Glauben gewesen sein mag. Als Konfirmand hatte ihn der Pfarrer gefragt, ob er denn das alles glaubt, was sie da im Unterricht lernen. „Nein“, hat er gesagt. Ganz ehrlich! „Dann kann ich dich auch nicht konfirmieren“, hat der Pfarrer daraufhin entschieden. Und so war’s dann auch. Entweder, oder. Sehr konsequent. Das schon. Aber nicht besonders einfühlsam. Einem Jugendlichen gegenüber. Jahre später durfte mein Onkel deswegen nicht Pate werden. Strenge Regeln. Damals. Heute immer noch. Theoretisch. In der Praxis gehen wir lockerer damit um.

Ich weiß nicht, wie’s später für ihn mit dem Glauben war. Auf dem Krankenbett. Und kurz vor dem Tod. Ob er noch zu Gott gefunden hat? Zu ihm gebetet? In seiner Verzweiflung, seiner Angst, seiner Not? Oder ob er versucht hat, mit seinem Schicksal allein fertig zu werden? Ich weiß es nicht. Aber ich wünschte mir und ich hoffe, dass er – mit oder ohne Gott – am Ende für sich noch etwas gefunden hat, das ihm geholfen hat, getrost und gelassen gehen zu können.

„Der Glaube ist nicht jedermanns Sache.“ Klingt wie die Überschrift der Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Umfrage. Das gibt’s ja … alle Jahre wieder, mal von der Kirche selbst in Auftrag gegeben, mal von einer großen Zeitschrift. Ist es aber nicht. „Der Glaube ist nicht jedermanns Sache.“ Das hat der Apostel Paulus erkannt und geschrieben. Oder, wenn nicht er selbst, dann einer, der ihm nahestand. Einer, der dachte, fühle, redete, schrieb wie er. Schon vor zweitausend Jahren. An die Christinnen und Christen in der kleinen Gemeinde in Thessalonich, dem heutigen Thessaloniki in der griechischen Region Makedonien. „Der Glaube ist nicht jedermanns Sache.“ Ganz unaufgeregt. Ganz sachlich. Ganz nüchtern. Nein, nicht dass das egal wäre. Das nicht. Dafür haben Paulus und seine Mitstreiter sich selbst viel zu sehr für die Verbreitung der Botschaft Gottes, für die Weitergabe der Worte und Taten Jesu eingesetzt. Haben Spott und Hohn einstecken und so manchen Ärger aushalten müssen, bis hin zu Gefängnisaufenthalten.

Aber gerade deshalb, weil sie mit ihrem Einsatz für den Glauben immer wieder an Grenzen gestoßen sind, gerade deshalb wissen sie auch, wie schwer es ist für den Glauben zu werben. Und vielleicht, weil der Glaube für sie selbst in einer früheren Lebensphase auch nicht selbstverständlich war. Weil sie gezaudert, gezögert, gezweifelt haben. „Betet dafür“, heißt es im Brief an die Thessalonicher, … „betet dafür, dass mehr und mehr Menschen erkennen, dass der Glaube ihnen guttun, dass er ihnen helfen, dass er sie in kritischen Lebenssituationen geradezu heilen kein.“ Betet! Das entlastet. Nicht wir sind es, die den Glauben schaffen. Sondern Gott ist es, der ihn schenkt. Und wir haben die Freiheit, dieses Geschenk anzunehmen. Oder auch nicht. „Der Glaube ist nicht jedermanns Sache.“ So ist das. So war das damals. Und so ist das auch heute. Nicht nur bei uns Christinnen und Christen. Sondern in allen Religionen.

Welche Rolle spielt der Glaube im Leben? Mein Glaube. Dein Glaube. Der ganz persönliche Glaube. Welche Rolle spielt dieser Glaube in unserem Leben? Kann er – sprichwörtlich – Berge versetzen? Berge von Schwierigkeiten, von Hindernissen, von Ängsten, die uns den Weg verstellen? Kann er uns helfen, Mauern zu überwinden? Mauern des Misstrauens und der Vorurteile? Kann er uns selig machen? Nein, nicht im Sinne eines spöttisch-ironischen „Wer’s glaubt, wird selig!“. Sondern wirklich selig. Zufrieden mit dem, was wir sind und haben. Dankbar, glücklich. Gesegnet. Jeder Mensch hat eine Geschichte. Seine Geschichte. Seine Lebensgeschichte. Und seine Glaubensgeschichte. Auch wenn er nicht glaubt, … nie geglaubt hat, weil er nie mit dem Glauben in Berührung gekommen ist, … nie etwas über den Glauben gehört hat, oder wenn er nicht mehr glaubt, nicht mehr glauben kann oder will, weil besondere Ereignisse seinen Glauben infrage gestellt und erschüttert und ihm seinen Glauben genommen haben. Auch kein Glaube hat – so paradox das klingen mag –auch kein Glaube hat etwas mit dem Glauben zu tun.

Der Glaube kann einem Menschen helfen, sich und sein Leben mit anderen Augen zu sehen. Wie schön, wenn einer sagen kann: „Es geht mir gut“ und weiß, dass das nicht allein sein Verdienst ist, dass er hier und nicht in einem von Hunger und Not, von Kriegen und Katastrophen gebeutelten Land lebt, dass er gesund ist und dass er Arbeit und Auskommen hat. Dass um ihn herum Menschen sind, denen er etwas bedeutet und die ihm etwas bedeuten! Wie schön, wenn einer das alles nicht als selbstverständlich hinnimmt! Und dabei sieht, dass andere – ohne ihr Versagen, ohne eigene Schuld – das alles nicht haben. Dann hat das für mich auch etwas mit dem Glauben zu tun. Mit dem Glauben an ein Leben, das mir geschenkt ist, und an einen, der es mir geschenkt hat. Der es mir geschenkt hat und der es mich genießen lässt. So, wie es ist. Und mich in meiner Dankbarkeit ihn und die, denen es nicht so gut geht, wie mir, nicht vergessen lässt.

Aber es gibt auch das andere. Dass einer glaubt, nicht, weil es ihm gut geht, sondern dass er glaubt, obwohl es ihm schlecht geht. Ich bin in meinem Dienst vielen Menschen begegnet, meistens waren es Frauen, alte Frauen, die den Krieg überstanden haben, die mit ihren Kindern vertrieben wurden, die flüchten mussten, die Angst um den Mann und die Söhne hatten und oft vergeblich auf ihre Rückkehr gewartet haben, die woanders von den Einheimischen alles andere als mit offenen Armen empfangen praktisch mit nichts wieder anfangen und sich ihr ganzes Leben neu aufbauen mussten. Und die sagten: „Ohne meinen Glauben hätte ich das nicht geschafft.“ Ohne den Glauben daran, dass da einer ist, „der mich durch die tiefen und tiefsten Täler meines Lebens hindurch trägt.“ Ohne den Glauben, der ihnen geholfen hat nicht nur zu leben, sondern zu überleben. Und der ihnen eines Tages auch helfen wird, zu sterben. Weil sie auf den vertrauen, der sagt: „Ich bin bei dir.“ Und: „Ich bleibe bei dir. Komme, was da wolle.“

Ich konnte das oft nicht verstehen. Wenn ich die Geschichten dieser Frauen gehört habe, schlimme Geschichten, traurige Geschichten, dann habe ich mich oft gefragt: „Wie kann man da noch glauben? Wie kann man da noch an einen guten, einen liebenden Gott glauben? Wenn man so etwas erlebt?“ Ich habe diese Frauen oft für ihren Glauben bewundert und auch ein bisschen um ihren Glauben beneidet. Ich weiß nicht, ob ich dazu fähig wäre. Ob ich in meiner Verzweiflung nicht am Ende doch zweifeln würde und einfach nicht mehr glauben könnte.

Von Andreas Egger heißt es: „Er war nie in die Verlegenheit gekommen, an Gott zu glauben.“ Die Bilanz eines ganzen Lebens. Eines einfachen, eines bescheidenen, eines oft schweren und harten und manchmal sogar unbarmherzigen Lebens. Und das dennoch ein erfülltes und deshalb ein gutes Leben war. Erfüllt von der Gewissheit, niemandem geschadet und selbst nach Kräften vielleicht nicht alles, aber doch vieles richtig gemacht zu haben. Eines Lebens nicht gegen den Glauben. Aber der Glaube – so wichtig er für andere sein mag – ist für Andreas Egger nicht lebensnotwendig. Mich beeindruckt diese Ehrlichkeit. Diese Aufrichtigkeit. Diese Ehrlichkeit und diese Aufrichtigkeit sich selbst, anderen und – im Grunde genommen auch – Gott gegenüber.

Am Ende des Matthäusevangeliums steht der so genannte Missionsbefehl. „Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern!“ Jesu Auftrag für uns. Für alle Christinnen und Christen. „Gewinnt die Menschen für meine Sache. Helft ihnen, so zu leben, wie ich es euch gezeigt habe.“ Menschen den Glauben nahebringen. Ihnen helfen, zu vertrauen. Gott zu vertrauen. Gewissermaßen sein Testament. Aber, davon bin ich überzeugt, es ist auch im Sinne Jesu, Menschen den Glauben nicht aufzuzwingen. Zu akzeptieren, wenn der Glaube eben nicht ihre Sache ist. So wie der Schreiber des Briefes an die Thessalonicher das damals akzeptiert hat.

Der Glaube macht einen ja nicht zu einem besseren Menschen. Zu einem anderen vielleicht. Der Glaube als Richtschnur. Als Geländer, das einem Halt geben kann. Wenn man will. Wer auch so genügend Halt hat, der braucht es eben nicht. Vielleicht später einmal. Das Geländer bleibt. Bis zum letzten Schritt. Es ist nie zu spät, sich daran festzuhalten. Es ist nie zu spät, den Glauben – irgendwann – doch noch zu seiner Sache zu machen.

Amen.